Presse/News | Einzelhandels­immobilienmarkt | Update – Q1 2021

Überblick Einzelhandelsmarkt

Der österreichische Einzelhandel war im ersten Quartal 2021 weiterhin durch Beschränkungen mit dem Ziel der Eindämmung des Coronavirus geprägt. Auch in den Phasen, in denen nicht nur Lebensmittel und andere zur Grundversorgung zählende Waren verkauft werden durften, war das Geschäft durch die Sperre der Gastronomie, restriktive Zugangsregeln (20 m² pro Kunde) und Maskenpflicht beeinträchtigt.

Dennoch hat sich die Stimmung im stationären Einzelhandel im Vergleich zum Vorjahr seit Jahresbeginn doch wesentlich verbessert. Dies liegt einerseits an der mittlerweile zwar langsam, aber doch kontinuierlich laufenden Impfkampagne, die die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zu einer einigermaßen normalen Situation in Handel und Gastronomie nährt, andererseits sind doch sehr viele Branchen mit einem blauen Auge durch diese Phase gekommen bzw. haben sogar davon profitiert. Diese möchten nach einem weitgehenden Stillstand der Expansion im Vorjahr nun doch wieder stärker in die Offensive gehen.

Flächennachfrage

Das schlägt sich in einem starken Anstieg der Suchanfragen nieder. Diese kommen nur teilweise aus aktuell boomenden Einzelhandelsbranchen wie etwa dem Sportartikelhandel mit den extrem starken Bereichen Fahrrad (E­-Bikes) und Outdoor, dem Möbelhandel inkl. Interieur, dem Lebensmittelhandel oder Diskontern aus diversen Sektoren. Mehr noch nützen zahlreiche Newcomer aus sich neu entwickelnden Geschäftsfeldern die sich auftuenden Lücken für den Start alternativer und innovativer Konzepte. So benötigt aktuell eine Reihe von Online-­Supermärkte  geeignete Rangier-­, Lager­- und Logistikflächen nahe bei den potenziellen Kunden. Auch für Automatensupermärkte bzw. generell Selbstbedienungskonzepte/SB­Konzepte, die ganz ohne Verkäufer auskommen und sieben Tage in der Woche 24 Stunden lang geöffnet sind, werden immer mehr Standorte gesucht. Diese Entwicklung zeigt einmal mehr den Trend zu verstärkter Digitalisierung/Automatisierung im Einzelhandel.

Eher überraschend kommen auch wieder Anfragen aus der Fitnessbranche, in der große Ketten nach Gelegenheiten suchen, Standorte kleinerer Mitbewerber zu übernehmen und auch vereinzelt Möglichkeiten zum Aufbau neuer Standorte sondiert werden. Auch aus der Gastronomie ist wieder verstärkt Interesse an Neuanmietungen zu verzeichnen, insbesondere für Geschäftslokale mit Schanigärten und Freiflächen, die im Falle neuerlicher Beschränkungen vielleicht doch nicht ganz gesperrt werden müssen.

Ein immer relevanterer Teilmarkt sind Pop-­Up-­Stores: Für Flächenanbieter eröffnen sie gute Chancen, Leerstandsphasen zu überbrücken und damit nicht nur Einnahmen zu lukrieren, sondern z. B. in Einkaufszentren auch für zusätzliche Frequenz zu sorgen und leere Schaufenster zu vermeiden. Für die Einzelhändler wiederum bieten sie interessante Möglichkeiten, neue Konzepte zu testen und Erfahrungswerte für die langfristige Standortwahl zu gewinnen. EHL hat erst vor kurzem zwei ca. 350 m² große Flächen im Stadtpark Center in Spittal an der Drau und im FMZ Wolfsberg für drei Monate den Modespezialisten Mister*Lady vermietet, der diesen rasch verfügbaren Vertriebsweg nutzt, um Lagerbestände im lockdowngeplagten Deutschland zu reduzieren.

Flächenbestand

Die Produktion von Neuflächen im Einzelhandel erfolgt derzeit primär im Rahmen von Mixed­-Use in Kombination mit Wohnungen und / oder Büros. Ein typisches Beispiel dafür ist das derzeit in Bau befindliche Projekt „Am Donaukai“ von PREMIUM / Art Invest mit Wohnungen, Büro und 3100 m² von EHL vermarkteten Einzelhandelsflächen beim U­- und S­-Bahn­-Knoten Handelskai. Dazu kommen wenige große reine Einzelhandelsprojekte wie das im Rohbau bereits weitgehend fertiggestellte erste innerstädtische Ikea-­Möbelhaus beim Wiener Westbahnhof oder das „KaDeWe Wien“ in Bestlage der Mariahilfer Straße, die konzeptiv aber höchst interessant sind, und denen große Signalwirkung für die weitere Entwicklung zugebilligt wird.

Gleichzeitig werden veraltete oder an wenig geeigneten Standorten befindliche Flächen aus dem Markt genommen. Insgesamt führt das neuerlich zu einer gewissen Reduktion der Einzelhandelsflächen, was in Anbetracht der in Österreich relativ hohen Einzelhandelsfläche / Einwohner eine folgerichtige Entwicklung ist.

Positiv zu vermerken ist, dass auch weiter Investitionen in Verbesserungen und Modernisierungen getätigt werden. Die Covid­-bedingten Schließungen sind in vielen Fällen sogar Auslöser derartiger Maßnahmen, da sie derzeit mit weniger Problemen verbunden sind als in Zeiten des Vollbetriebs.

Mietentwicklung

Die Nominalmieten für Einzelhandelsflächen haben sich wenig verändert. Allerdings besteht bei Vertragsverlängerungen und bei Neuanmietungen derzeit in der Regel etwas größere Bereitschaft, den Mietern mit sonstigen Unterstützungen – mietfreie Zeiten, Zuschüsse für Umbau etc. – entgegenzukommen.

Auch die Struktur der Mietverträge wandelt sich: Die Laufzeiten werden tendenziell kürzer, es wird verstärkt über umsatzabhängige Mietbestandteile  verhandelt und – wenig überraschend – werden in die Mietverträge mittlerweile durchwegs auch Vereinbarungen für den Fall behördlicher Schließungen oder Nutzungseinschränkungen aufgenommen.

Bemerkenswert ist, dass in den teuersten Einkaufslagen im Bereich des Goldenen U (Kärntner Straße /Graben / Kohlmarkt), die mehr als alle anderen unter dem Wegfall des Tourismus leiden, auch bei Neuabschlüssen sehr hohe Mieten erzielt werden. Vereinzelt werden hier derzeit Flächen im Bereich von € 400-­600/m² in absoluten Top­Lagen angeboten. Das kann als klares Indiz für eine rasche Erholung nach Ende der Pandemie gewertet werden.

Ausblick

Der Markt für Einzelhandelsimmobilien wird in den kommenden Jahren zweifellos einen überdurchschnittlich raschen und tiefgreifenden Wandel erleben. Der Branchenmix wird sich spürbar ändern, von den großen Branchen werden insbesondere manche nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit befindliche Konzepte aus den Bereichen Mode und Schuhe Flächen reduzieren. Zuwächse wird es hingegen bei Sport / Lifestyle / Outdoor, im Diskontbereich und bei Lebensmittel-­  und Drogeriemärkten geben.

Innerhalb der Lebensmittelbranche ist mit einer stärkeren Differenzierung zu rechnen. Neben den noch lange dominierenden klassischen Supermärkten, gewinnen Online-­Supermärkte an Bedeutung, dazu kommen vollautomatisierte Ladenkonzepte mit Rund-­um­-die-­Uhr-­Öffnungszeiten, aber auch hochwertige Lebensmitteleinzelhandelskonzepte mit Fokus auf Regionalität und Bio werden an Bedeutung gewinnen.

Pop­-up-­Konzepte verlieren zunehmend ihr exotisches Image und werden in Zukunft zum üblichen Bild von Einkaufsstraßen und Einkaufszentren gehören. Der Gastronomieanteil wird ungeachtet der aktuellen Schließung tendenziell weiter steigen und damit einer international schon weiter fortgeschrittenen Entwicklung folgen. Ebenfalls an Bedeutung gewinnen werden innerstädtische Standorte von Unternehmen, die derzeit primär an der Peripherie angesiedelt sind, also insbesondere Möbelhandel oder Baumärkte. Damit können diese den durch Corona befeuerten Trend zu „Click and Collect“ besser bedienen.

Wegen der Flächenreduktionen, die gut etablierte Ketten aktuell vornehmen, gibt es auch an sehr guten Standorten vermehrt Angebote. Für diese gibt es wieder steigende Nachfrage aus dem Ausland.

Die vielfältigen Veränderungen stellen die Vermieter von Einzelhandelsflächen zweifellos vor große Herausforderungen. Wichtiger als die Standortqualität werden aber aktives Management der Flächen und die Bereitschaft zu Veränderung und Innovation sein. Die bloße Fortführung altbewährter Konzepte erscheint weniger denn je als ein erfolgsversprechendes Geschäftsmodell.